"Na dann auf gutes Gelingen, Frau Adam. DiPA sollte bereits auf Ihren Geräten installiert sein." Mit diesen Worten verabschiedet Herr Bär, Referatsleiter Projektmanagement des BaSaB (Bundesamt zur Schaffung aktiver Bürger), seine frischgebackene Projektleiterin. Frau Adam ist erst seit wenigen Wochen im BaSaB tätig und schon Leiterin ihres ersten IT-Projekts! Aber das ist im BaSaB nicht ungewöhnlich. Für die vielen Digitalisierungsprojekte gibt es einfach nicht genug alte Hasen.
Von DiPA, der Digitalen Projekte-App, hat Frau Adam schon gehört. In ihrer alten Behörde hat sie bereits in verschiedenen IT-Projekten mitgewirkt, aber eine App hatte da niemand. Wozu man die wohl brauchen kann? Ziel ihres Projekts InterFü ist es jedenfalls, einen deutschlandweiten Online-Dienst zu entwickeln, mit dem man sich einen internationalen Führerschein aus- und zustellen lassen kann. Online. Ohne auf dem Amt erscheinen zu müssen. Damit sollen die Bürger und auch die zuständigen Ämter entlastet und heutige Warteschlangen verkürzt werden.
Zurück in ihrem Büro startet Frau Adam ihr Tablet. Tatsächlich: eine neue App namens DiPA prangt auf ihrem Startbildschirm.
"Hallo Frau Adam! Ich unterstütze Sie im Projektverlauf von InterFü mit Vorschlägen und Hilfestellungen. Als erstes sollte InterFü arbeitsfähig gemacht werden. Wählen Sie zwischen einer geführten oder manuellen Initialisierung." Bei Frau Adam kommen dunkle Erinnerungen an den unsäglichen Karl Klammer von MS Office hoch. Doch die Neugier siegt. Sie nimmt die angebotene Unterstützung an.
Die App führt Frau Adam Schritt für Schritt durch die Initialisierung von InterFü. Als Art des Projekts wählt sie Softwareentwicklung, die Projektziele übernimmt sie aus dem Projektvorschlag. Laufzeit und Budget kennt sie auswendig und tippt sie schnell ein. Andere Fragen kann Frau Adam noch nicht beantworten, beispielsweise zu regelmäßigen Terminen des Projektteams. Das macht aber nichts. Die App bietet stets die Option "Überspringen" an und weist darauf hin, dass sie diese Entscheidungen später treffen kann.
Die App will nun wissen, wer im Projekt mitarbeiten soll. Dazu zeigt sie links die Rollen für die Initialisierung und rechts als "Ressourcen" eine Liste von vier Personen: Frau Adam, Herr Bär, Herr Clemens und Frau Dachs. Die "Ressourcen" hat offenbar Herr Bär dem Projekt zugewiesen. Die Zuordnungen von Herrn Bär als Programm-Manager und ihr selbst als Projektleiterin stehen fest. Das kann nur Herr Bär ändern. Für die übrigen Rollen hält die App Vorschläge parat, die sie auch "begründet":
- Product Owner: Frau Dachs
Product Owner sollten möglichst aus der Fachabteilung kommen.
Frau Dachs hat die Qualifikation Certified Product Owner.
- QS-Verantwortlicher: Herr Clemens
Herr Clemens war QS-Verantwortlicher in 2 abgeschlossenen Projekten.
Herr Clemens ist QS-Verantwortlicher in einem laufenden Projekt.
"Da hat aber jemand mitgedacht", staunt Frau Adam und riskiert gleich mal einen genaueren Blick auf ihre Projektmitglieder. Diese sind mit Kontaktdaten, bisherigen und aktuellen Projekt-Tätigkeiten und öffentlichem Krypto-Schlüssel einsehbar. Letzterer wird zur Bestätigung von Aktionen, zur Signatur von Dokumenten und zur sicheren Kommunikation verwendet, liest Frau Adam. Ohne Krypto-Schlüssel geht scheinbar gar nichts. Aber beim BaSaB haben ja alle von Haus aus ein Krypto-Token, also kein Problem. Frau Adam bestätigt die zugeordneten Rollen.
Anschließend geht es um die Gestaltung des Projektverlaufs. Die App schlägt vor, einen bestehenden Rahmenvertrag zur Entwicklung von Softwaresystemen zu nutzen und zeigt eine Liste der im BaSaB vorhandenen Optionen. Frau Adam kann sich direkt in der App über die jeweiligen Vertragskonditionen informieren.
Eine Ausschreibung gemäß UfAB ist ebenfalls möglich, erfährt Frau Adam. "Von der Bekanntmachung der Ausschreibung bis zum Vertragsschluss sind in vergleichbaren Projekten durchschnittlich 4 Monate vergangen. Beachten Sie auch die Angebotsfristen gemäß Vergabeverordnung (VgV)", informiert sie die App. Keine Frage: Frau Adam entscheidet sich nach Rücksprache mit der Vergabestelle für einen der Rahmenverträge und reduziert so den Zeitraum bis zum Vertragsschluss auf "durchschnittlich 6 Wochen".
Die App zeigt nun einen Zeitstrahl, der die Dauer des Projekts verdeutlicht. Zwischen dem Projektstart und dem Projektende sind verschiedene Meilensteine zu sehen, die Frau Adam auf dem Zeitstrahl verschieben und somit das Datum für deren Erreichung festlegen kann. Sie folgt der Empfehlung, alle 2 Monate einen Meilenstein zu setzen, zu dem sie ein Zwischenergebnis vom Auftragnehmer einfordert, und schließt die Planung ab.
Im Hintergrund hat DiPA ein Projekt-Repository mit Standard-Ablagestruktur auf der Nextcloud des BaSaB angelegt. Die ist im BaSaB für DiPA voreingestellt. Außerdem hat die App für InterFü noch ein gleichnamiges Projekt in der Jira-Instanz des BaSaB mit angeschlossenem Confluence-Wiki erstellt. Das BaSaB hat DiPA mit seinen Standardwerkzeugen konfiguriert; über die App lassen sich aber auch andere Produkte anbinden.
"Bitte legen Sie einen Termin für den Kick-Off des Projekts fest." DiPA schlägt als Agenda die Punkte "Ziele & Beteiligte vorstellen", "Vorgehen abstimmen", "Projektstammdaten vervollständigen" und "Ressourcen für Anforderungsfestlegung zuordnen" vor. Frau Adam wählt einen Termin aus und bestätigt den Versand einer Einladung an alle Projektmitglieder. Damit ist die Projektinitialisierung zunächst abgeschlossen. Die noch offenen Fragen werden im Kick-Off mit allen Beteiligten besprochen. Für heute ist also erstmal Feierabend.
Nur eine Woche nach dem Kick-off-Meeting betrachtet Frau Adam die Arbeitsschritte, die DiPA für ihr Projekt anzeigt. Einiges hat sie selbst eingetragen, aber an etliche Punkte musste sie gar nicht denken. Die wurden ihr vorgeschlagen und sie hat sie in das Backlog des Projekts aufgenommen. Nicht mal eine halbe Stunde hat das gedauert, und nun hat sie das leicht unangenehme Gefühl der Überforderung, denn sie hat keinen Plan, wann sie das alles machen soll.
Keinen Plan? Apropos - einer der Einträge zeigt an, dass sie eine initiale Feinplanung des Projekts vornehmen soll. Sie tippt auf diesen Eintrag und liest, dass sie zur Grobplanung des Projekts, die ja mit den Meilensteinen des Auftrags bereits erfolgt ist, nun für die nächsten 3-6 Monate eine Detailplanung der notwendigen Arbeitsschritte bzw. der gewünschten Ergebnisse vornehmen sollte. Warum? Weil ihr Team schließlich ein erreichbares Ziel benötigt, auf das es seine Arbeit ausrichten kann! Das überzeugt Frau Adam, und sie beginnt sich zu informieren, wie sie dieser Feinplanung näher kommen kann. Sie hat das nämlich noch nie gemacht, und der Lehrgangsteil "Projektplanung" ihres Projektmanagement-Crashkurses, den sie kurz vor Projektbeginn belegt hat, war zwar informativ, hat aber noch nicht dazu geführt, dass sie sofort weiß, was zu tun ist.
Also betätigt sie den Recherche-Button in DiPA und beginnt, sich zu informieren. Ihr werden drei ähnliche Projekte vorgeschlagen, die in DiPA schon vermerkt haben, dass sie eine Feinplanung durchgeführt haben. Sie liest die Resümees der Projektleiter(Innen) zu diesem Arbeitsschritt und erfährt, dass es empfehlenswert sei, am Anfang des Projekts genügend Zeit dafür aufzuwenden. Ein Projektleiter berichtet, dass er nach einem Tag Feinplanungs-Workshop festgestellt hat, dass die Ziele des Projekts noch zu unklar waren, und er deswegen den Arbeitsschritt "Ziele definieren" noch einmal durchführen musste. Bei der Gelegenheit wurden die sehr unkonkret gefassten Ziele in SMARTe Ziele umgewandelt. Der Text "SMARTe Ziele" ist besonders gekennzeichnet, weil DiPA dies als Best Practice empfiehlt. Frau Adam liest sich die kurze Beschreibung durch und beschließt, dass auch sie versuchen will, die Ziele ihres Projekts gemeinsam mit dem Team in SMARTe Ziele zu verwandeln. Sie "zieht" die Best Practice in ihr DiPA-Projekt.
Eine andere Projektleiterin schreibt, dass sie gegen den anfänglichen Widerstand des Teams einen Vier-Tages-Präsenzworkshop in einem Bildungszentrum ihrer Behörde durchgeführt hat, um abseits des täglichen Wahnsinns das Team zusammenzubringen. So hatte das Team Zeit und Muße, die über einjährige Projektlaufzeit zu antizipieren und gemeinsam die Projektplanung zu erarbeiten. Das führte dann später zu dem sehr guten Effekt, dass sich alle Projektmitglieder die Planung zu Eigen gemacht haben und sie nicht als "Spielzeug" der Planerin des Projekts betrachteten.
Frau Adam hält kurz inne und überlegt, ob es wirklich gerechtfertigt ist, ihre Projektmitglieder fast eine ganze Woche loszueisen. Da ihr Projekt verteilt arbeitet, also an verschiedenen Standorten, muss immer jemand fahren, um sich physisch zu treffen. Sie lässt sich aber von den Argumenten überzeugen und beschließt, mit gutem Beispiel voranzugehen und den Workshop nicht an ihrem Standort, sondern an einem neutralen Ort durchzuführen. Dann nimmt sie zu der Projektleiterin Kontakt auf, die diese Art des Planungsworkshops durchgeführt hat, um sich in einem Gespräch weitere Informationen zu holen. Die Kollegin kommt nicht aus der gleichen Behörde und hat in DiPA ihre Kontaktdaten nicht offen zugänglich gemacht. DiPA ermöglicht Frau Adam dennoch, Kontakt aufzunehmen und eine Nachricht an die betreffende Kollegin abzusenden.
Zum Anstoßen ist es noch ein wenig zu früh, aber zumindest wurde das BaSaB erfolgreich als neue Organisation in DiPA angelegt. Das zentral gehostete DiPA für die Verwaltung steht allen interessierten Behörden (Bund, Ländern und Kommunen) zur Verfügung.
Herrn Korn, langjähriger Systemadministrator im BaSaB, macht so schnell niemand etwas vor. Er ist für verschiedene Systeme im BaSaB verantwortlich und konnte bisher noch jeden Wunsch der Anwender erfüllen. Keine Überraschung also, dass er vom Behördenleiter höchstpersönlich mit der Einrichtung und Administration von DiPA betraut wurde. DiPA ist nämlich nicht gleich DiPA. So vielschichtig wie die Mitarbeiter und Projekte im BaSaB sind auch die Konfigurationsmöglichkeiten. In DiPA können organisationsweite und projektspezifische Regelungen definiert werden, um das System möglichst präzise an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen.
Ganz oben auf der ToDo-Liste von Herrn Korn stehen die Standardwerkzeuge für das Projektmanagement im BaSaB. Die kennt er natürlich gut und nun möchte er sie auch mit DiPA bekannt machen. Aufgaben werden im BaSaB grundsätzlich in Jira erfasst und verwaltet. Herr Korn erinnert sich mit Schrecken an den langwierigen Auswahlprozess. Aber mittlerweile ist Jira gesetzt und die Projektleiter sind glücklich mit der Entscheidung. Dank der in DiPA enthaltenen Referenzimplementierung ist die Anbindung von Jira ein Kinderspiel. Für jedes Projekt in DiPA wird nun automatisch ein gleichnamiges Projekt in Jira erstellt.
Aber damit ist es noch nicht getan. Im BaSaB müssen alle Softwareentwicklungsprojekte einen speziellen Meilenstein erreichen. Vor der Beauftragung des IT-Dienstleisters ist eine Vorbesprechung mit Mitarbeitern des späteren IT-Betriebs gemäß einer eigens erstellten Checkliste gefordert. Diese Regelung hat das BaSaB vor einigen Jahren eingeführt, da bei der Inbetriebnahme fertiger Software häufig Nachbesserungen notwendig waren. Also legt Herr Korn den zusätzlichen Meilenstein "Vorbesprechung mit IT-Betrieb durchgeführt" an, weist ihn der Projektart "Softwareentwicklung" zu und kennzeichnet ihn als verpflichtend.
Zu guter Letzt muss Herr Korn noch angeben, wer die Projekte des BaSaB in DiPA einsehen darf. Hierfür hat er strikte Vorgaben des Behördenleiters erhalten. Die Mitarbeiter des BaSaB dürfen ihren Kollegen natürlich über die Schulter schauen. Und auch das übergeordnete Ministerium erhält Leserechte für alle Projekte im BaSaB. Über die Anfragen übriger Behörden soll jeweils der zuständige Referatsleiter entscheiden. Genau so wird es in DiPA konfiguriert.
"Du kannst mir ruhig mal etwas glauben, alter Mann." Frau Fröhlich und Herr Gerhard kennen sich schon seit über 15 Jahren und jeder im BaSaB weiß, dass sie sich gern mal gegenseitig aufziehen. "Ich glaube Ihnen doch alles, junge Frau", grinst Herr Gerhard. "Aber wie kann ich das genau nachschauen?"
Frau Fröhlich hatte Herrn Gerhard in der Abteilungsleiterkonferenz eben einen guten Tipp gegeben. Bei der Führerscheinstelle in Modernstadt läuft ein mit InterFü vergleichbares Projekt, bei dem man sich bestimmt etwas abschauen kann. Das hat sie vor ein paar Tagen in DiPA entdeckt. Und außerdem hat Frau Fröhlich vor allen Abteilungsleitern geglänzt, weil sie sehr detailliert über alle laufenden Projekte in ihrer Abteilung Auskunft geben konnte.
"Hast du heute um 16 Uhr eine Stunde Zeit? Dann komme ich vorbei und zeig's dir. Kaffee mit Milch und Zucker. Weißt du ja."
Pünktlich um 16 Uhr steht ein frisch gebrühter Kaffee im Büro von Herrn Gerhard und Frau Fröhlich kommt zur Tür herein. Herr Gerhard staunt nicht schlecht, als seine Kollegin in DiPA mit nur wenigen Klicks eine Übersicht aller in seiner Abteilung laufenden Projekte aufruft. Ein weiterer Klick, und die Liste wird um die bereits abgeschlossenen Projekte erweitert. Herr Gerhard kann jedes Projekt auswählen und erhält sofort einen Überblick der relevanten Daten. Projektlaufzeit, aktuelle Risiken, verbrauchtes Budget: Genau das, was er für die Abteilungsleiterkonferenzen benötigt.
"Das Projekt in Modernstadt habe ich mit der Stichwortsuche nach vergleichbaren Projekten gefunden", erklärt Frau Fröhlich. Für InterFü wurden bereits die Stichwörter "Führerschein" und "Beantragung" hinterlegt. Herr Gerhard versucht sein Glück, und siehe da: Projekt Online-Führerschein. Zuständige Behörde ist die Führerscheinstelle in Modernstadt. Treffer! Aus der Projektbeschreibung geht hervor, dass die für Lkw- und Busfahrer alle 5 Jahre notwendige Verlängerung des Führerscheins in Modernstadt künftig auch online möglich sein soll.
"Da gibt es tatsächlich einige Parallelen zu InterFü", stellt Herr Gerhard fest und klickt auf die in DiPA hinterlegte Projektstruktur. Hier erfährt er, dass das Projekt Teil eines Vorhabens ist, zu dem auch das Projekt Flensburg-Recht gehört. Darin soll geprüft werden, ob die bei Antragstellung erforderliche Erteilung der Auskunft aus dem Fahreignungsregister (FAER) rechtlich zulässig ist. Sofern dies nicht der Fall ist, soll der Entwurf für eine entsprechende Gesetzesänderung erarbeitet werden.
Diesen Aspekt hatten die Mitarbeiter des BaSaB bisher gar nicht bedacht. Mit den Worten "Danke Modernstadt!" greift Herr Gerhard zum Telefonhörer und ruft bei Frau Adam an. Und er nutzt auch gleich die von DiPA bereitgestellten Funktionen zum Speichern von Suchergebnissen und zur automatischen Benachrichtigung bei neuen Ergebnissen. "Den Kaffee hast du dir verdient!" "Gern geschehen."